Informationen zur Person:
- 1985-1997 Bereitschaftspolizist
- war im Einsatz, als es am Dresdner Bahnhof zu Ausschreitungen kam, aber nicht direkt vor Ort
Portal e.V.: Wie war Ihre Berufliche Situation 1989?
Maik Funke: 1985-1989 war ich bei der Bereitschaftspolizei in Dresden, damals nannte man sie noch „Die Pioniere“, also ich hatte Perspektiven.
Portal e.V.: War das Ihr ausdrücklicher Wunsch Polizist zu werden oder wie kam es zu dieser Berufswahl?
Maik Funke: Konkret hat es begonnen mit meinem eigentlichen Wunsch Musik studieren zu wollen in Pohra. Das hat dann leider nicht geklappt, mit der banalen Ablehnung, dass meine Standpunkte und Ergebnisse im Bereich Staatsbürgerkunde nicht ausreichen würden für eine Aufnahme zum Studium. Von Pohra kam dann das Angebot ich könnte doch Musik weitermachen im Orchester der Bereitschaftspolizei. Dann kam die Einberufung zur Bereitschaftspolizei und dann war ich ein halbes Jahr bei der NVA als „Pionier“, weil ich Maschinist für Transport- und Hebemittel gelernt hatte. Ich besaß schon damals sämtliche Führerscheine. Wie gesagt, danach war kein Platz im Orchester frei, so dass ich dann bei der Bereitschaftspolizei blieb.
Portal e.V.: Hatten Sie direkten Kontakt zum MfS und kamen Befehle von denen ?
Maik Funke: Nein ganz konkret nicht. Ich war stellv. Zugführer, dann Gruppenführer und wieder stellv. Zugführer, Wir mussten für jeden Grundausbildenden nach 1,5 Jahren eine Beurteilung schreiben. Ein Exemplar davon ging an den den zuständigen ABV (Abschnittsbevollmächtigten), eins an den Betrieb und das dritte Exemplar ging direkt zum MfS(Ministerium für Staatssicherheit) und wurde dort archiviert, wir nannten es die Grundakte. Bei der Bereitschaftspolizei gab es einen MfS Offizier oder Verbindungsoffizier. Der war uns bekannt, wir nannten den MfS-Mann in unseren Reihen immer „Frau Müller“, da wusste jeder Bescheid wenn er in der Nähe war.
Portal e.V.: Während unseres Gespräches fiel mir auf das Sie nicht mit voller Überzeugung Ihren Beruf ausübten, liege ich da richtig mit meiner Vermutung?
Maik Funke: Das habe ich auf keinen Fall, aus Überzeugung nicht. Ich wollte Musik weitermachen und dann kam die Möglichkeit erst nach 6 Jahren, doch dann fühlte ich mich zu alt dafür und ich blieb dann doch bei der Bereitschaftspolizei.
Portal e.V.: Was können Sie zu den Geschehnissen am Dresdner Bahnhof berichten 1989, sie waren ja Bereitschaftspolizist und im Einsatz an dem besagten Tag?
Maik Funke: Wir waren an diesem Tag noch zu Schießübungen in Nochten, danach wollte ich eigentlich in Urlaub gehen, dazu kam es aber dann nicht. Der Gradmelder kam zu mir nach Hause, ich solle sofort in die Dienststelle kommen und Sachen für vier Tage mitbringen. Dann legte er mir ans Herz, ich müsse „Das Vorkommnis“ abholen. Die kompletten Pioniere waren in Oranienburg im Feldlager und haben sich erwischen lassen mit Alkohol, ja und dann musste ich da hochfahren und hier in Dresden merkte man schon die andere Stimmung es brodelte zunehmend unter den Menschen, man spürte das etwas passieren würde. Da bin ich dann erst einmal in Zivil nach Oranienburg gefahren. Das war ja eigentlich der Schießplatz des Ministeriums des Innern. Da haben die ganz großen Bonzen Schießübungen gemacht und ich habe einen Anschiss bekommen, wieso ich in Zivil komme und daraufhin fragte ich die ob sie nicht wüssten was zur Zeit in der DDR tatsächlich los sei. Da bin ich noch ermahnt worden , was ich mir erlauben würde so zu reden. Dann haben wir die Bahnverladung vorgenommen, da saß ich auf 15 Flaschen Schnaps ich war der einzige Waffenträger, alle Waffen waren bei mir im Zug. 15 Flaschen Schnaps zu sichern das ist schon eine Kunst :-)!! Wir hatten zwei große Tatras mit, dass war eine gewaltige Maschinerie. Wir sind dann von Oranienburg mit dem Zug direkt nach DD gekommen. In Dresden-Friedrichstadt stand dann auf einmal ein ganzer Zug mit TRABO-Leuten (mit Helm, Stiefel, Schild und Schlagstöcken). Ich muss ja sagen, so richtig mitbekommen haben wir ja selbst die Wende gar nicht, dann hieß es bloß sofort in die Dienststelle nach Dresden zurück. In den sogenannten Viehhänger, in dem wir hin und her geschickt wurden, damals gab es ja kein Radio oder Fernseher in den Zügen. Wir sind dann angekommen am Bahnhof DD und da wurden wir schon komisch angeschaut als wir mit Großtechnik durch Dresden gefahren sind. Wir wurden dann auch schon beschimpft mit „Jetzt kommen die Bullen schon mit Schiebetechnik“ usw. Ich war so durcheinander, völlig unrasiert, fern der Heimat, drei Tage auf der Bahn. Wieder zurück in Dresden, komme ich auf den Hof in der Schießgasse, der war gefüllt mit Leuten die verhaftet wurden und verhört werden sollten. Ich war fix und fertig so viele Eindrücke und Ereignisse aufeinanderfolgend. Naja, dann dachten wir, na gut, hier ist ja alles erledigt, jetzt können wir endlich wieder nach Hause gehen. Nein, wir mussten uns dann erneut umziehen. Es gab den Befehl die „Gala-Uniform“ anzuziehen, also grün, Helm und Schild und ich dachte was ist denn jetzt los. Dann wurde mir mein Einsatz kurz erklärt und ich wusste so schnell komme ich jetzt nicht mehr nach Hause zu meiner Familie. Ich übernahm dann den zentralen Zugführungspunkt und das hieß, wir mussten die festgenommenen Leute von einem Raum in den anderen bringen oder in die Zellen innerhalb des Gebäudes bringen und von der Garage zum Verhör oder zum Arzt oder je nachdem was gerade zu tun war. Im Hechtpark standen die Panzer mit sowjetischen Soldaten und die SBW´s waren aufmunitioniert. Ich weiß noch wie unser Stabschef damals noch gesagt hat „Meinen Zaun fässt mir keiner an“, aber er war bereits ein richtig alter Mann geworden, der hat eigentlich nur noch gebibbert vor Angst. Dann haben wir, dass war die Krönung, eine Schwelleinweisung im Dienstgebäude bekommen über Nebelhandgranaten. Da stand vorn im Raum jemand auf einem Stuhl und hat uns ganz hastig die Handhabung der Granaten gezeigt mit erhobenem Arm Spätestens zu dem Zeitpunkt war auch bei uns die nackte Angst vorhanden. Die ersten die zum Einsatz weggeschickt wurden, waren die Jungs mit dem Bus die so seltsam angezogen waren, mit Stiefeln, Schildern, Helmen und Schlagstöcken. Wir standen im Hof zwischen den Massen, also wenn es da zu einem Putsch gekommen wäre, die hätten uns überrannt, da wäre Feierabend für uns gewesen, da hätten wir keine Chance gehabt. Man wusste ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht das die Demonstration dann doch weitgehend zu einem friedlichen Ende führte. Nachts gab es ja noch einmal einen Einsatz, da wurde die Bautzner Straße gestürmt von Demonstranten und wir sollten erneut zum Einsatz, als wir auffuhren wurden wir auf einmal bejubelt von den Leuten und gefeiert, dass habe ich damals nicht verstanden dieser plötzliche Umschwung bei den Leuten auf der Straße, erst beschimpften sie uns und dann feierten sie uns.
Portal e.V.: Haben Sie selbst Gewalt gegen Demonstranten ausüben müssen?
Maik Funke: Nein, Gottseidank nicht, ich kam nicht in solch eine Situation, da hatte ich Glück, dass ich zentraler Zugführer war.
Portal e.V.: Wie war das eigentlich mit Ihrer Familie, wusste die Bescheid über Ihren Einsatz?
Maik Funke: Meine damalige Frau wusste garnichts, die wusste nur das ich in meine Dienststelle muss, um da ein (Vorkommnis) abzuholen. Danach war ja Informationssperre, wir durften niemanden anrufen mit keinem in Kontakt treten. Das war ja die Krönung. Wenn die Frauen angerufen haben, um sich nach ihren Männern zu erkundigen, die wurden gleich weggedrückt. Die hohen Generäle waren das. Man hatte da wirklich extreme Angst. Wenn man sich das überlegt die ganz neuen Bereitschaftspolizisten die erst 1 jahr dabei waren, die liefen am Zaun. Dann Hatten wir einen festgenommen der ist aus dem Besucherreum mit dem Spruch „Heil Hitler“ rausgesprungen, dass er natürlich geradewegs der Wache in die Arme gesprungen ist war sein Problem. So etwas musste ja nun auch nicht sein, dass hatte ja nichts mit einer wende zu tun. Was direkt am Bahnhof war das wussten wir nur durch Information von den Leuten die dort eingesetzzt waren. Ein Wasserwerfer kam dann wieder rein, weil er hinten am Wasserkessel einen Durchschuss hatte, also muss jemand auf das Fahrzeug geschossen haben.
Portal e.V.: Wie ging es eigentlich nach der Wende mit Ihnen weiter Herr Funke?
Maik Funke: Ich habe nochmal einen „Persilschein“bekommen, so nannte man damals unter uns in der Truppe diese Bescheinigung (bedeutet „reine Weste“-Bescheinigung) nach der Wende trotz der Flucht meiner Schwester in den Westen und diente dann bis 1997 bei der Polizei. 1985-1989 diente ich als Pionier, um 1989-1990 hingen wir alle ein wenig in der Luft, wi wussten nicht wie es mit uns weitergeht. Erst war ich stellvertretender Waffenwart und dann bin ich zum Sondereinsatzhof Dresden (Wasserwerfer, Sondereinsatz etc)gewechselt. Ich war dann bei der Gradstaffel der Bereitschaftspolizei eingesetzt, weil ich eben alle Führerscheine hatte. ich konnte sämtliche Fahrzeuge fahren. Ich habe viele Einsätze mitgemacht z.B. in Gohrleben, der Kastor-Transport, die Hannover-Chaostage, in Leipzig-Connewitz, Hoyerswerda, bei der BRN in DD-Neustadt, da war ich als Einsatzpolizist mit dabei. Zu Fussballeinsätzen wurden wir sowieso immer gerufen, da haben wir uns aber auch freiwillig gemeldet. Das war bereits zu DDR zeiten so als es hieß, der BfC-Berlin kommt, da haben wir uns freiwillig gemeldet. Das es Randale gab das wussten wir, deshalb wollten wir unbedingt solche Einsätze begleiten.
Portal e.V.: Welche Haltung nehmen Sie heute konkret ein, wenn Sie die DDR und die BRD im Vergleich sehen?
Maik Funke: Es war nicht alles schlecht damals, gut wir konnten nicht überall hinreisen, aber jeder war sozial abgesichert und hatte seine Arbeit, man bekam seinen Lohn, einer mehr oder weniger. Manche mussten was dafür tun manche eben nicht. das Brot war billig. Ich konnte auch in die damalige UdSSR reisen oder sonst wohin. Jetzt können wir überall hinfahren. können es aber auch wieder nicht, weil das nötige Geld vielen Menschen fehlt. So rosig ist der Westen nicht. Ich hatte zwar damals auch erhebliche Probleme bekommen, da meine Schwester abgehauen ist kurz vor der Wende. Da musste ich mich auch Fragen aussetzen, wie: wo ist sie, wissen sie wo sie sich aufhält, warum ist sie weg, warum haben sie das nicht verhindert usw., usw. Ich kann insgesamt nichts negatives über die DDR sagen, man hätte natürlich viel verändern müssen, aber wie das wusste ich nicht und viele andere Menschen waren da glaube ich genauso ratlos wie ich auch. Die meisten wollten ja garnicht weg aus der DDR sie wollten hier im eigenen Land Veränderungen herbeiführen bzw. wünschten sich das viele.
2008, geführt von R. Wilde