Emilia Brunnmaier

Portal e.V.:Wo haben Sie bis zum Herbst 1989 gelebt?

Emilia Brunnmaier: Bis zum Herbst 1989 habe ich mit meiner Familie und meinen Eltern in Kasachstan gelebt, wo wir im Juni 1941, als der Zweite Weltkrieg begann, deportiert wurden. Früher hatten wir im Dorf Gusar im Saratow-Gebiet am Wolga-Ufer gelebt. Im August 1941 waren wir schon im Kasachstan.

Portal e.V.:Welche Erinnerungen haben sie über die Deportation?

Emilia Brunnmaier: Ich war erst 4 Jahre alt, meinem Bruder Iwan -1 Jahr und Wladimir-5 Jahre alt. In der Nacht wurden wir mit unserer Mutter in ein Schiff gesetzt. Bis jetzt habe ich eine Erinnerung, dass ganze Ufer mit Ameisen voll war, (so habe ich als Kind die große Menschenmenge empfunden). Aber das schlimmste war das Geschrei und das Weinen als die Familien getrennt wurden,  viele konnten einander nicht finden, und viele sind unterwegs gestorben. Bis zum Dzhaltir (ein Dorf in Kasachstan) sind wir mit dem Zug und weiter mit dem Leiterwagen bis zum Endepunkt-Dorf Malaja Aleksandrowka in Kasachstan gefahren. Mein Vater wurde auf das Bau von der Eisenbahn in Akmola geschickt.

Portal e.V.:Wann wurde Ihre Familie wieder vereint?

Emilia Brunnmaier: Mein Vater hat uns nach dem Krieg gefunden, aber konnte uns nicht abholen weil der Umzug verboten war. Erst 1954, als die Trudarmij aufgelöst war, und mein Vater als Mechaniker ins Dorf Zhurawljowka geschickt wurde, konnten wir wieder zusammen sein.

Portal e.V.: Wie haben sie in den Kriegsjahren gelebt, und wie waren ihre Verhältnisse zu der russischen Bevölkerung?

Emilia Brunnmaier: In der Zeit des Krieges haben wir in einer Erdhütte gelebt. Zum Essen hatten wir nur das, was wir im Wald finden konnten. Überlebt haben wir aus Dank den russischen Leuten. Bis jetzt erinnere ich mich an eine Frau, die heißt Maria. Ihr Mann ist am Anfang des Krieges an der Front gestorben, und Maria blieb allein mit 2 Kindern sie lehrte uns Russisch, gab uns Milch und Kartoffeln zu essen. Warum? Ich denke, weil sie selbst Mutter war und hat in uns keine Feinde gesehen, sondern nur Kinder. Wir haben auf dem russischen Ofen geschlafen, auf dem Stroh ganz nackt, fast immer hungerten wir. Flöhe und Wanzen bissen uns. Meine Mutter arbeitete von früh am Morgen bis spät in der Nacht und bekam dafür nichts, weil alles an die Front geschickt wurde.

Portal e.V.:Welch Momente Ihrer Kindheit erzählen sie ihren Kindern und Enkeln?

Emilia Brunnmaier: Es gibt viele solche Momente, ich erzähle nur einige davon: meine Mutter hat unsere Kleidung aus Papier von den Postsäcken genäht. Ich erinnere mich wie mein Bruder Iwan in den neuen Hosen zum See schwimmen ging. Er kam lange nicht aus dem Wasser raus, weil ihm statt Hosen  nur ein Gummiband blieb. Und meinem Bruder Wladimir, der auf dem Kombain gearbeitet hat, hat man die Hosen aus der Zeltleinwand genäht. Diese Hosen meißelten beim gehen das Feuer aus. Unsere Schule war im Dorf Akimowka, 12km von unserem Haus entfernt so weit mussten wir jeden Tag zu Fuß gehen.

Portal e.V.:Wie sind die Voraussetzungen Ihres  Umzugs von Russland nach Deutschland gewesen?

Emilia Brunnmaier: In der Zeit der Privatisierung war unser Dorf  zerfallen, meine Kinder haben ihre Arbeit verloren, in den Läden fehlte sogar das nötigste. Die Leute standen in langen Schlangen um Brot zu kaufen. Selbst das Wasser wurde vom anderen Ort zu uns gebracht. Als die Berliner Mauer gefallen ist, haben wir eine Hoffnung bekommen, dass unser Leben  besser wird. Ich wollte, dass meine Kinder unter besseren Bedingungen leben und als Deutsche anerkannt werden. Im 2003 ist es geschehen, wir sind nach Deutschland gekommen. Und jetzt haben wir die Möglichkeit unsere Träume zu verwirklichen.

Portal e.V.:Welche Seiten des Lebens haben sie interessiert? Was haben sie gehofft?

Emilia Brunnmaier: Alle Seiten des Lebens haben mich interessiert. Etwas schlechtes wollte ich einfach nicht wahrnehmen. Und Hoffnungen? Wenn meine Kinder eine Arbeit finden, dann können wir nochmal darüber reden.

Portal e.V.:Wurde die Lebensqualität für Sie und Ihre Familie nach der Übersiedlung besser?

Emilia Brunnmaier: Ja! Die medizinische Betreuung, soziale Garantien, verschiedene Möglichkeiten bei der Wahl des Berufes und des Ausbildungsortes. Alle meine Kinder und Enkelkinder leben sich langsam ein, arbeiten, lernen, und ich bin sicher, dass alles gut wird.

Portal e.V.: Welche politisch Erlebnisse konnten Sie in eine Reihe von der Bedeutung des  9. Novembers 1989 zusammenstellen?

Emilia Brunnmaier: Der Truppenabzug der Sowjetischen Armee aus Deutschland. Ich denke, das alle Fragen innerhalb des Landes die Deutschen selbst entscheiden müssen, ohne die Einmischung von den anderen.

Portal e.V.:Erinnern sie sich, dass es so ein Staat DDR gab?

Emilia Brunnmaier: Ja, natürlich, wir sind doch Russland-Deutsche und haben es so gelernt, das es DDR und FRG gibt. Ich denke, das es auch die deutsche Bevölkerung  nicht vergessen wird. Ich war immer der Meinung  das diese Einteilung für Deutschland peinlich ist. So was sollte keinem Land passieren.

2008, geführt von V. Weingardt