Portal e.V.: Wo haben sie bis zum Herbst 1989 gelebt?
Mark Heifez: Bis zum Herbst 1989 habe ich in der Stadt Lugansk in der Ukraine, Region Donbass gelebt.
Portal e.V.: Haben Sie in Lugansk gearbeitet? Welchen Beruf übten Sie aus?
Mark Heifez: Ich war in Lugansk als Ingenieur in einer Firma für Maschinenbau tätig.
Portal e.V.: Wie fühlten sie sich 1989? Hatten sie Angst vor der Zukunft? Worauf haben sie gewartet? Und was haben sie gehofft?
Mark Heifez: Den Mauerfall habe ich wie ein unwirkliches Ereignis wahrgenommen, dass irgendwo hinter dem Eisernen Vorhang passiert. Es schien mir wie ein Traum, ein Märchen. Viele Menschen dachten: „Wird sie jetzt für immer abgerissen?“.
Portal e.V.: Sie waren zu dieser Zeit weit weg. Was empfanden Sie als sie davon erfuhren? Hatten Sie Angst? Haben das alle so wahrgenommen wie Sie?
Mark Heifez: Es schien irgendwo weit weit weg von uns zu passieren. So als ginge es uns nichts an. Wir sahen es als ein Symbol des Lebendigen: die Berliner Mauer, die den Westen vom Osten trennt, ist gefallen.
Portal e.V.:Haben Sie Veränderungen im Land erwartet? Was haben sie gehofft?
Mark Heifez: Ja natürlich, wir hofften sehr, dass sich nach dem Mauerfall die Möglichkeit ergeben würde in den Westen zu fahren. Wie die DDR-Bürger sollten auch die Menschen aus verschiedenen Städten Russlands, der Ukraine, Kasachstans usw. diese Chance bekommen. Mit den Ereignissen des Jahres 1989 waren alle Hoffnungen der Russland-Deutschen verbunden, die ihr ganzes Leben lang davon geträumt haben in ihre Heimat zurückzukehren.
Portal e.V.: Und dann, als ihre Träume sich verwirklicht haben, und Sie die Möglichkeit bekommen haben nach Europa zu emigrieren, welche Vorteile haben sie bei dem Leben in Europa gesehen?
Mark Heifez: Die Vorstellung über Europa, zum Teil auch über Deutschland war bei mir immer mit einem einzigen Wort verbunden „Die Ordnung“. Vor 5 Jahren, als wir emigrierten, gab es in der ehemaligen Sowjetunion keine Ordnung. Und das ist bis heute so. Ich weiß nicht, ob es sie später dort geben wird. Und Deutschland war und ist ein stabiler Staat mit einer gut entwickelten Infrastruktur, der sich um seine Bürger kümmert. Wir wollten gern Mitglieder dieser zivilisierten Gesellschaft werden und uns, soweit es uns möglich ist, eingliedern. Wir wollten ihr Nutzen bringen. Ich denke, dass jeder Mensch davon träumt in Stabilität zu leben, und das Leben in einer sozial sicheren Gesellschaft stellt diese Stabilität dar.
Portal e.V.: Haben sie in der Ukraine noch Verwandte?
Mark Heifez: Ja wir haben noch viele Verwandte in der Ukraine und in Russland.
Portal e.V.: Haben sie Kontakt mit ihnen?
Mark Heifez:Ja ich habe noch Kontakt.
Portal e.V.: Konnten Sie nach der Übersiedlung nach Deutschland ihren früheren Heimatort besuchen?
Mark Heifez: Ja ich habe zusammen mit meiner Frau unsere Heimat besucht, dort wo wir früher gelebt haben, wo wir geboren sind.
Portal e.V.: Haben sie Veränderungen im Leben ihrer Verwandten bemerkt? Welche Veränderungen waren es?
Mark Heifez: Es gab auf jeden Fall sehr große Veränderungen. Es war das entstanden, was es im Sozialismus und auch später in der Nachperistroikazeit nicht gab: ein unbestrittenes Wachstum des Wohlstandes, die Zahl der reichen Leute hat sich vergrößert, es tauchten sehr viele Waren westlicher Produktion auf, westliche Ideale verbreiten sich.
Portal e.V.: Also, Veränderungen sind geschehen. Hat sich der Charakter der Leute, ihre Ansichten, ihre Lebenseinstellung verändert? Welche dieser Veränderungen sind für Sie am wichtigsten?
Mark Heifez: Bei unserer Fahrt in die Heimat haben wir sehr große Veränderungen im Leben der Menschen festgestellt, aber wir haben auch uns bekannte Dinge gesehen. Hauptsächlich hat sich das äußere Erscheinungsbild der Menschen verändert. Die Leute ziehen sich besser an, fahren mehr mit dem Auto. Die Mentalität der Leute blieb hauptsächlich unverändert.
Portal e.V.: Was denken sie, welche Rolle haben die Veränderungen in Deutschland im Herbst 1989 für die Veränderung des Lebens in Russland gespielt?
Mark Heifez: Ich denke, dass sich mit dem Mauerfall nicht nur neue Möglichkeiten für die Ostdeutschen ergeben haben, sondern auch für Menschen in anderen Ländern, somit auch in Russland.
2008, geführt von V. Weingardt